Staande Mastroute


Knapp zwei ganze Jahre waren wir nicht an Bord der Herr Nilsson. "Andere Umstände", könnte man die Umstände bezeichnen, weswegen wir nicht an Bord waren ;-)

In diesem Sommer kehrten wir zu dritt zurück nach Oostende auf unser Schiff. Und wie man sich vorstellen kann, führt ein Leichtmatrose im Kleinkindalter zu einigen Veränderung in der Reiseplanung und der Ausstattung an Bord.

Neben all dem notwendigen Babyequipement hatten wir mit Kinderwagen, Planschbecken, einem Kindersitz für das Cockpit, Bollerwagen und anderem Klimbim deutlich mehr an Bord zu verstauen, als in den Jahren zuvor. Darüber hinaus mussten einige Ecken an Bord kindersicher gemacht werden, damit die kleine Krabbe nicht alle Hebel betätigt und Schabbs öffnet um deren Inhalt zu inspizieren.

Unser Reiseziel war zunächst Texel, bevor wir das Schiff gegen Ende der Sommerferien nach Stavoren im Ijsselmeer verlegen wollten. Da wir es auf unserer ersten Tour mit Baby an Bord langsam angehen lassen wollten, um zu schauen was wir uns und dem kleinen Matrosen zumuten konnten, entschieden wir uns dafür die Staande Mastroute auf dem Weg nach Texel zu nehmen.

Diese führt in unzähligen Kanälen durchs Landesinnere von Zeeland bis nach Rotterdam und weiter an Amsterdam vorbei.

Was wir etwas unterschätzt hatten, war die Länge der einzelnen Streckenabschnitte und die Tatsache, dass man im Vergleich zu den Etappen auf See nicht mal kurz den Autopiloten anschalten kann. Dafür ist einfach zu viel los auf dem Wasser und die Kanäle oftmals nicht breit genug. Das auf der Staande Mastroute etliche Brücken und Schleusen zu passieren sind war uns natürlich klar. Das man an einigen Brücken allerdings auch zur Hauptsaison schon mal ein bis zwei Stunden warten muss, hatten wir nicht "auf dem Schirm".

Aber gemessen an den Problemen die das CoronaJahr 2020 bisher mit sich brachte, waren das doch echte Luxusprobleme!!! Es war Sommer, wir waren zum ersten Mal als Familie mit dem Schiff unterwegs, das Wasser glitzerte und der Himmel war blau. Die meiste Zeit zumindest. Für alle anderen Tage hatten wir entsprechende Kleidung an Bord.

Über Catzand, Middelburg, Willemstad und Gouda waren wir, etwa eine Woche nach dem Start in Oostende, vor den Toren Amsterdams angekommen.

Wir hatten den Eindruck mit unserem Schiff in einem Badesee gestrandet zu sein. Um uns herum tummelten sich Schwimmer, Sonnenhungrige auf ihren Luftmatratzen und Kinder in Schlauchbooten. Der 25.06. war ein schwüler Hochsommertag und für den Abend / die Nacht waren schwere Gewitter vorhergesagt. Na super. Die Passage durch Amsterdam startet täglich um 0:00 Uhr und wir mussten feststellen, dass die handvoll Segler, die ebenfalls durchs nächtliche Amsterdam fahren wollten, alle kleinere Masten hatten als wir. Um es vorweg zu nehmen - wir sind nicht vom Blitz getroffen worden und ein nächtliches Sommergewitter hat mit einem guten Glas Weiswein in der Hand durchaus seinen Reiz.

Gegen 3:00 Uhr morgens kamen wir nördlich von Amsterdam in der Marina an. Leider hat der Baby-Schlafrhythmus kein Erbarmen mit Eltern die deutlich zu spät und mit einem Glas Wein zu viel in die Koje fallen. Also ging es ein paar Stunden später direkt weiter auf dem Weg nach Norden. Da eine Brücke auf der Route in Richtung Haarlem (aufgrund von Brückenarebeiten) unpassierbar war, nahmen wir den Weg über das Ijsselmeer. Nach den vielen Seemeilen durch die befahrenen Kanäle war die Etappe bis Enkhuizen eine echte Erholung. Mit auffrischendem Wind bis 18 Knoten aus südwestlicher Richtung kamen wir schnell voran - und das ENDLICH auch ohne Motor. Was für eine herrliche Ruhe an Bord. 

Der kleine Leichtmatrose hatte bereits "Seebeine" bekommen und genoß das Geschaukel in seinem Ausguck im Cockpit. Jeder Möwe wurde fleißig gewunken. Anderen Schiffen hinterherzuschauen war ein riesen Spaß für den Nachwuchskapitän. In Enkhuizen mussten wir aufgrund eines durchziehenden Sturmtiefs das Schiff für ein paar Tage verlassen und verbrachten die Zeit mit Oma Bärbel und Opa Günter auf Texel.

Als der Sturm nachließ holten Günter und ich das Schiff von Enkhuizen nach Texel - so kam auch er endlich zu seiner ersten Tour auf der Herr Nilsson. Genügend Seemeilen hatte er bereits auf einigen Fähr- und Kreuzfahrten gesammelt. Als Steuermann ein Segelschiff durchs Wattenmeer bei knapp 20 Knoten Wind zu segeln war allerdings eine Erfahrung, die er so bisher noch nicht gemacht hatte - aber bravourös meisterte. Ich habe an diesem Tag lediglich ab und wieder angelegt. Den Rest ließ sich der Schwiegerpapa mit dem Steuer in der Hand nicht nehmen.

Nach drei Wochen Texelurlaub brachen wir auf, um das Schiff über Makkum nach Stavoren zu segeln, wo wir einen Platz für den Winter finden wollten. Den haben wir gefunden.... und sogar mehr als das!

 

ABSCHIED VON HERR NILSSON

Unser Ziel war von Beginn an das Schiff nach unserem Sabbatjahr wieder zu verkaufen. Jetzt, da unser Leben mit Kind in den nächsten Jahren einen völlig anderen Fokus haben wird, wurde uns einmal mehr klar, dass es richtig scheint unser Schiff in andere Hände zu geben.

Die gute alte Herr Nilsson wird ab dem nächsten Jahr von einem sehr sympathischen holländischem Pärchen gesegelt und wohl nochmal auf große Fahrt gehen.

Es lässt sich nicht in Worte fassen, was wir mit diesem Schiff verbinden.... Lebensgefühl, Freiheit, Heimat, Abenteuer und Vieles mehr. Danke für diese unfassbar tolle Zeit.