einhundertundvierstunden


Als sich vor knapp einem Monat ein Wetterfenster auftat, um zusammen mit einigen anderen Schiffen die Passage von Portugal auf die Kanarischen Inseln anzutreten, waren wir noch nicht so weit. Gerade erst an der Algarve angekommen, gab es einfach noch so vieles zu sehen, was wir nicht gesehen hatten - so viel zu erledigen, was unerledigt blieb und so viel zu tun, was getan werden wollte. 

Zum Beispiel BodyBoards kaufen und fast wie "echte" Surfer mit dem Board unterm Arm zum Strand zu gehen, um in den Wellen rumzutollen. Anschließend Pommes holen, ein warmes Bier aus der Strandtasche ziehen und "BeachBoys" aus der Minibox hören. Das isses doch! "HANG LOOSE"! 

 

Gemeinsam mit einigen Nachzüglern, wie der verrückten Bootsfamilie von der "Johanna" aus Dänemark, den Boys von der "Mira Polaris", oder den beiden Holländern Erwin und Tessa von der "Ramses", die wir alle bereits seit Porto kannten, verstrich die Zeit an der Algarve wie im Flug.

 

Anfang November breitete sich endlich ein Azorenhoch dort aus, wo es hingehört - über die Azoren. Dieses stabile Hochdruckgebiet sollte für reichlich Nord-Ost-Wind, zwischen Portugal und den Kanaren sorgen. Das war es also - das nächste Wetterfenster. Wetter updaten und mit den Vorhersagen der Nachbarn vergleichen, kurz vorm Ablegen noch eine telefonische Streckenwetterberatung von der Wetterwelt aus Kiel einholen, Proviant verstauen und eine Runde aufs Ohr legen.

 

Dann konnte es losgehen.

 

Mit einer "Miniflotte" von 5 Schiffen stachen wir in See. Anfangs vertrieben wir uns die Zeit noch mit Funkrunden, in denen wir uns gegenseitig Quizfragen stellten. Mit jeder Meile mehr im Kielwasser verloren wir uns erst weiter aus den Augen - schließlich auch aus den Ohren. Die zunehmend größer werdende Distanz zwischen den Schiffen, ließ nicht mal mehr Funkkontakt zu. "Johanna, Johanna, Johanna...?" - keine Johanna mehr in Funkweite. 

Plötzlich fühlt man sich ganz schön alleine auf dem großen weiten Ozean. Mit der vorhergesagten Windstärke und vorausberechneten Geschwindigkeit, lagen etwa 4 bis 5 Tage zwischen uns und Lanzarote. Am Ende waren es ziemlich genau 104 Stunden, die zu einem einzigen Brei der Eindrücke verschwommen sind.

 

Zu schaukelig um zu lesen - zu wellig um zu kochen. Wir verbrachten die meiste Zeit mit "dösen". In der Koje war das latent flaue Gefühl in der magengegend am erträglichsten - außerdem holt man sich im Liegen weniger blaue Flecken. Beim Gang aufs Klo waren diese, aufgrund des Seegangs, fast vorprogrammiert. Mit zunehmender Schaukeldauer waren wir froh, erstmal "nur" in Richtung Kanaren und nicht auf dem Weg in die Karibik unterwegs zu sein. Mit "Luther", einer Krimiserie auf Video, hielten wir zumindest ein Minimum an Unterhaltungsprogramm aufrecht. Alle 10-15 Minuten wurde allerdings auf Pause gedrückt, um nach dem Rechten zu sehen. Stimmt der Kurs? Was sagt die Windanzeige? Hat sich die Windrichtung geändert? Kreuzen uns irgendwelche Frachter, Fischer oder Kreuzfahrtschiffe? Viel zu sehen gab es nicht. Die Windsteueranlage hielt Kurs und die Segel standen wie eine Eins. Okay, manchmal auch wie eine Zwei, aber wir sind ja hier nicht bei einer Regatta ;-)

In der dritten Nacht frischte der Wind auf 32 Knoten auf und verschaffte uns eine wahre Rauschefahrt mit knapp 9 Knoten Geschwindigkeit durchs aufgewühlte Wasser. Interessanterweise wurde das Schiff mit zunehmendem Wind immer stabiler und weniger schaukelig. Das ist also der Wind den die kleine "Herr Nilsson" mag. Müssen wir uns unbedingt merken. Entweder rausfahren wenn es richtig knallt, oder ablegen wenn gar kein Wind und entsprechend auch keine Welle ist. Alles dazwischen ist irgendwie "Rumgeeier". Zumindest bei Wind von hinten.

 

"Land in Sicht!!!" Annährend können wir nachvollziehen wie sich die großen Entdecker vergangener Tage gefühlt haben müssen. Ja - okay... reichlich übertrieben unsere Passage mit den Touren von James Cook, Magellan oder Kolumbus in einem Atemzug zu nennen. Dann vielleicht doch eher mit Pipi Langstrumpfs "Seeräuber Opa Fabian"  auf dem Weg nach Taka Tuka Land - das passt eher zu uns.

Wie auch immer - müde und ein bisschen stolz haben wir am 10.11. in La Graciosa (nördlich von Lanzarote) festgemacht. Zum Glück nicht als erste Menschen, sonst hätte es wohl kaum ein kühles Anlegebier zusammen mit alten Bekannten von der "Lady Sunshine" oder der "Zanzibar" am Steg gegeben.

 

AHOI