Bisschen England & Bisschen viel Biskaya


 

Das ist hier nicht gerade das, was man sich unter England so vorgestellt hat. 

Jetzt bitte nicht falsch verstehen. Es ist keineswegs so, dass wir enttäuscht gewesen wären - ganz im Gegenteil. Wir hätten einfach nicht erwartet, dass England so mediterran, ja so karibisch anmuten könnte. 

 

Die Rede ist von Herm, eine der zu England gehörenden Kanalinseln - östlich von Guernsey. Hier lagen wir drei Nächte vor Anker in der Bucht mit dem anmutenden Namen „Belvoir Bay“. Feiner weißer Strand und kristallklares Wasser, das farblich von blau in türkis übergeht. Spätestens beim Sprung ins Wasser wurde einem der Unterschied zwischen Mittelmeer oder Karibik und England dann doch sehr schnell bewusst. ARSCHKALT! 

Aber hey - man muss ja auch nicht die ganze Zeit im Wasser rumtoben. Herm ist wirklich ein Geheimtipp, an den wir zufällig über unsere Freunde von der „Lady Sunshine“ herankamen, die bereits vor Ort auf uns warteten. 

 

Neben den bereits beschriebenen Stränden und der südländischen Vegetation, hatte Herm typisches England zu bieten, wie es klischeehafter nicht sein könnte. Grüne Hügel, jahrhunderte alte Häuser aus massiven Steinblöcken, Fish & Chips und einen sündhaftteuren Hotdog Stand. Herrlich.

Der Wind drehte am dritten Tag auf Nord und so mussten wir die Ankerbucht aufgrund der bevorstehenden unruhigen Windrichtung wieder verlassen. Als nächsten Hafen steuerten wir das ca. 15 Stunden entfernte Roscoff in der französischen Bretagne an. Hier blieben wir aufgrund der Wetterverhältnisse fast eine ganze Woche, da der Wind mit voller Wucht aus Westen blies. 

 

Da klar war, dass sich am Wetter erstmal nicht viel ändern sollte, hieß es Abschied nehmen von Martin. Der eisenharte Steuermann, Poviantiermeister und unermüdliche Smutje, der die Reise der Herr Nilsson jetzt schon so lange begleitete, hatte nicht mehr ausreichend Zeit im Gepäck, um die eigentlich geplante Biskaya-Überquerung gemeinsam mit uns über die Bühne zu bringen. Danke, du altes struppiges Möwenvieh!!! Ohne dich wäre die Herr Nilsson niemals in diesem Tempo von Fehmarn, über die Nordsee durch den englischen Kanal bis an die Atlantikküste gekommen. Mit einem reichlich gefüllten Meilenbuch stieg er also am 17.08. früh morgens erst in den Bus, dann in den Zug nach Paris, dann mit dem Nachtbus nach Amsterdam, weiter mit dem Zug nach Enkhuizen, dann mit der Fähre nach Stavoren und letztlich mit meiner Schrottkiste von Auto zurück nach Deutschland. Der Mann muss Bonusmeilensammler sein. Wir drücken ihm die Daumen, dass er sie irgendwo gegen irgendetwas einlösen kann ;-) 

 

(Randnotiz: Falls ihr jemanden kennt, der ein günstiges Auto mit TÜV bis Mai 2017 sucht, bitte melden...!)

 

Die Biskaya lag voraus - statt zu dritt, jetzt zu zweit. Nach einer Woche des Abwetterns im schönen Roscoff öffnete sich endlich ein Wetterfenster für die Überquerung nach Spanien. Mit leicht mulmigem Gefühl vor unserer ersten langen Härteprüfung, warfen wir am Montag, dem 22.08. die Leinen los, legten eine letzte Pause in der Bucht von L’Aber Ildut ein und starteten tags drauf in die Nacht hinein...hinaus auf die Biskaya.

Sanfte Wellen, die untergehende Sonne am Horizont, eine Makrele erst am Haken, dann in der Pfanne und Delfine, die die Herr Nilsson wie im Spalier auf den Atlantik begleiteten. So schön die Etappe anfing, ging sie dann jedoch leider nicht weiter…

 

Mittwochs drehte der Wind, so dass wir ihn von nun an im Rücken hatten. Seglerisch nicht das Schlechteste, jedoch mit dem unangenehmen Nebeneffekt, dass das Schiff anfängt zu „rollen“. 

Man könnte es mit Karussell- und Berg- und Talbahnfahren vergleichen. Für ein paar Runden ja ganz schön…. Aber drei Tage am Stück dann doch etwas viel für das Gemüt und den Magen des Skippers. Ein latentes Gefühl von Unbehagen kroch durchs Schiff und schränkte unseren Tatendrang gehörig ein. Jede Tasse Tee zuzubereiten wurde zum Kraftakt und statt des reichlich vorgekochten Essens, griffen wir der Einfachheit halber lieber zum Knäckebrot. Im 20-Minuten Rhythmus ging die Nachtwache in einen routinemässigen Trancezustand über, der nach 66 Stunden segeln ein Ende fand. Hundemüde aber überglücklich erreichten wir am Freitag den Stadthafen von La Coruna. Zur Begrüßung warteten ein kühles Bier und ein frisch gebrutzelter Burger auf dem Nachbarschiff. 

Bienvenido a Espana!!! Wir haben es geschafft! Die nördlichen Gefilde liegen endgültig hinter uns. Wenn jetzt die Wassertemperatur zum Strand und den Palmen vor Ort passt, werden wir merken, dass England schon ein ganzes Stück hinter uns liegt.

AHOI